Das laute Weinen dringt bis hoch...
…in die dritte Etage, wo wir beim Espresso auf dem kleinen Balkon des Joy Ride Cafés sitzen. Die hochbetagte indigene Frau, die unten vor dem schmiedeeisernen Tor der Kirche zitternd an der Wand lehnt, scheint wirklich ernsthaft verzweifelt zu sein. Die Vorübergehenden schauen irritiert, aber alle gehen weiter. Auch der Polizist schlendert weiter, ohne sie eines Blicks zu würdigen. Nach allem, was uns Irma über die bolivianische Polizei erzählt hat, ist es vielleicht auch besser so, wer weiss? Wir überlegen uns, was wohl das Problem sein könnte. Es wirkt nicht so, als ob ihre Verzweiflung einfach ein Betteltrick ist. Hier in Bolivien ist es für ältere Menschen wirklich hart zu überleben. Vor allem, wenn man keine Familie hat, die einen unterstützt. Es gibt hier sehr viele sehr alte Leute, die noch immer irgendeiner Arbeit nachgehen müssen, da ein Sozialsystem wie bei uns nicht zu existieren scheint. Manche wandern herum und bieten den Passanten einzelne Bonbons oder Mangos an. Wer nicht mehr arbeiten kann, sitzt oftmals in Lumpen gekleidet am Strassenrand und lässt sich von den Vorübergehenden gerne ein paar Münzen zustecken.
Die alte Frau beruhigt sich langsam wieder, schnürt mühselig und mit zitternden Händen ihr ihre Habseligkeiten im Inkatuch auf den Rücken und schlurft im Zeitlupentempo davon. Wir beschliessen, von nun an nebst Münzen auch noch kleine Portionenpackungen mit Keksen und Riegeln griffbereit zu halten, um wenigstens ein bisschen Unterstützung geben zu können. Im Supermarkt kaufen wir uns eine Tasche voll davon. Es bedrückt uns, dass man eigentlich nichts anderes tun kann.
