Auf einer typischen bolivianischen Pizza schwimmt...
…meistens eine zentimeterdicke Schicht Käse, den man schon meterweit riechen kann. Manchmal stösst man beim Essen dann eher per Zufall auf ein Stückchen Tomate oder ein Eckchen Olive. Aber der Hauptbestandteil bleibt der Käse. Das Ganze erinnert eher an ein Fondue oder an eine Walliser Käseschnitte im Grossformat. Zum Glück haben wir zu viert nur zwei Pizzen bestellt. Wir sitzen heute Abend in einem Doppelrestaurant. Die eine Hälfte wird als Pizzeria betrieben, die andere Hälfte serviert Hamburger in allen Varianten. Aus einem Lautsprecher schallt Latino Pop. Das Gas ist soeben wieder nachgeliefert worden und unsere Pizzabestellung hat deswegen wieder Fahrt aufnehmen können.
Wir sind am Nachmittag nach mehreren Stunden Fahrt über
kurvenreiche Strassen durch waldige, hellgrüne Täler mit roten Felsformationen in
Samaipata auf 1700 Metern über Meer angekommen. Das Städtchen liegt eingebettet
zwischen grünen Hügeln und ist auf den ersten Blick sehr hübsch, bunt und freundlich.
Das Leben scheint hier in Zeitlupe stattzufinden. Die Menschen wirken entspannt
und fast etwas verschlafen. Die Strassen, teils mit Natursteinen gepflästert,
werden gesäumt von traditionellen Häusern. Sie besitzen breite Vordächer, die
oft von hohen geschnitzten Holzsäulen getragen werden. So ist es den Passanten möglich,
vor Sonne oder Regen geschützt zu flanieren. Also flanieren wir. Die Sonne
steht schon tief, denn hier ist es erst Frühling. Das Licht ist optimal für
tolle Fotos. Am späten Nachmittag ist es schon ordentlich kühl. Vorbei sind die
tropischen Temperaturen der letzten Tage. Im Lauf der nächsten Stunden erkennen
wir, dass sich hier ein Knotenpunkt europäischer Aussteiger befindet. Die einen
scheinen sich als Künstler zu begreifen, andere reiten genussvoll auf der
esoterischen Welle oder sind auf irgend eine andere Art abgehoben. Man bleibt
offensichtlich eher unter sich und lässt die Einheimischen lieber beiseite. Sofern
man miteinander am selben Tisch isst, hält man besser einen leeren Stuhl
Abstand, selbst wenn man zusammen in einer Gruppe unterwegs ist.
Das Hotel Montana, in dem wir untergekommen sind, wird von einem Einheimischen geführt, der uns erklärt, dass er eigentlich als Dreikäsehoch mit seiner Familie von Samaipata nach Buenos Aires ausgewandert sei und nun vor einigen Monaten wieder zurückkehren musste, um das Hotel seiner Schwester zu übernehmen. Er weiss nicht, ob er auch längerfristig bleiben möchte. Am liebsten würde er wieder zurück nach Argentinien. Aber er versucht es jetzt mal hier. Man hat ja Verpflichtungen gegenüber der Familie. Tigre unterstützt ihn nach Kräften bei der Hotelführung und lässt sich dafür jeden Tag in üppigen Thonrationen entschädigen. Auch als wir nach unserem Pizzaschmaus wieder ins Hotel zurückkehren kauert Tigre in der Küche über einem überdimensionierten Futternapf und verleibt sich einen weiteren halben Thunfisch ein. Er ist ein kräftiger grau gepunkteter Kater, dem man seinen Futternapf niemals wegnehmen würde, weil man sich davor fürchten würde, was dabei herauskäme.
Auf der Wiese vor dem Hotel wohnt eine lange, dünne, grau gepunktete Schlange. Vielleicht Tigres Seelenverwandte? Mirjam wäre ihr beinahe in ihren Flipflops auf den Kopf getreten. Wir beschliessen deswegen, von nun an nur noch festes Schuhwerk zu tragen und unsere Flipflops einstweilen tief in unseren Koffern zu verstauen. Unsere Zimmertüren gehen übrigens auf die Wiese hinaus. Zum Glück gibt es unter der Tür nur einen sehr schmalen Spalt. Da passen keine Reptilien hindurch. Aber Spinnen. Und die fürchten Arda und ich mehr als Schlangen. Abends huschen die nämlich in beeindruckender Grösse über den Boden vor unseren Zimmern. Wir hoffen, dass sie der Mückenspray im Türspalt davon abhält, uns nachts zu besuchen.
Die Existenz der Schlange verheimlichen wir dem Hotelbetreiber, weil wir nicht möchten, dass er sie uns zuliebe totschlägt. Aber wir zeigen der Kellnerin im Café am Hauptplatz ein Foto des Reptils. Sie schaut es sich ganz genau an. Nein, den Namen von der hier kenne sie nicht. Aber sie kenne die Giftschlangen hier, und jene da auf dem Bild sei völlig harmlos.